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Anaerobe Kapazität verstehen

Aktualisiert: 30. März 2022



Um anaerobe Kapazität zu verstehen ist es wichtig, die verschieden Wege zu kennen, welcher unser Körper zur Energiegewinnung nutzt. Hierzu ist der Betriebsstoffwechsel von entscheidender Bedeutung. Er bereitet biochemische Energie für verschiedene Leistungen der Zellen auf.

Alle Zellen benötigen für Ihre Arbeit (Muskelkontraktionen sowie Transport- und Syntheseleistungen) ATP (Adenosin-Tri-Phosphat), eine chemische Verbindung, die Energie speichern und bei Bedarf abgeben kann.


Für die Wiederaufbereitung von ATP ist der Betriebs- und Energiestoffwechsel zuständig: Durch eine Reihe von biochemischen Reaktionen werden Glukose und Fette zu Kohlendioxid und Wasser abgebaut. Dabei wird Energie frei, die für die ATP-Produktion notwendig ist. Jede Muskelfaser verfügt über eine kleine ATP-Reserve. Je intensiver diese arbeitet, desto schneller wird ATP gespalten. Das ATP-Depot darf jedoch niemals entleert werden, weil sonst die Muskelfaser zugrunde gehen würde. Sobald ATP verbraucht wird, werden deshalb biomechanische Prozesse aktiviert, die der Herstellung von ATP dienen. Zu diesen Prozessen gehören:


- die anaerob-alaktazide ATP-Gewinnung (das Kreatinphosphatsystem) - die anaerob-laktazide ATP-Gewinnung (die Glykolyse)

- die aerobe Phosphorylisierung (Glukose- und Fettverbrennung)


Diese Systeme arbeiten in unterschiedlichen Geschwindigkeiten und mit unterschiedlichen Kapazitäten. Das aerobe System beispielsweise produziert Energie am langsamsten (d. h. mit einer geringeren Leistung), verfügt aber über eine praktisch unbegrenzte Kapazität zur Aufrechterhaltung der Energieproduktion während des Trainings. Das CP-System hingegen produziert große Energiemengen sehr schnell (d. h. mit der höchsten Leistung), kann aber nur wenige Sekunden lang Energie liefern.


Zwischen diesen beiden Systemen befindet sich das anaerobe glykolytische System, das wir der Einfachheit halber als "glykolytisches System" bezeichnen. Es ist das Hauptsystem, das bei einer Belastung von etwa 30 Sekunden bis 2 Minuten zum Einsatz kommt, obwohl es auch bei kürzeren und längeren Belastungen in geringerem Maße genutzt wird. Selbst bei einem 20-minütigen Zeitfahren, das klassischerweise zur Messung des aeroben Systems (insbesondere der FTP) verwendet wird, ist der Beitrag des glykolytischen Systems beachtlich.


Das glykolytische System ist wichtig für Disziplinen, die eine hohe Leistungsabgabe über kurze Zeiträume erfordern (zb. MTB XCO, Radquer und Strassenrennen).



Energie aus Glukosestoffwechsel


Eine hohe Muskelaktivität erfordert eine hohe ATP-Bildungsrate. Je stärker die Muskelfasern beansprucht werden, desto geringer wird der prozentuale Anteil der Energie, die durch die «Fettverbrennung» gewonnen wird, und desto mehr trägt der Glukosestoffwechsel zur Deckung des Energiebedarfs bei. Glukose wird zunächst ohne Beteiligung von Sauerstoff zu Pyruvat abgebaut. Dieser biochemische Prozess heisst anaerobe Glykolyse.


Das glykolytische System produziert Energie, wenn Kohlenhydrate in Form von Glykogen (in den Muskeln oder der Leber) oder Glukose (im Blut) in eine Substanz namens "Pyruvat" aufgespalten werden.


Bei der anaeroben Glykolyse werden H+Ionen freigesetzt, Pyruvat kann diese aufnehmen und wird dabei zu Milchsäure umgewandelt. Die Milchsäure gelangt teilweise ins Blut und dissoziert zu H+ und Laktat. Letzteres wird vom Herzmuskel sowie von Muskel- und Nervenfasern als wertvolles Substrat aufgenommen und zur Energiegewinnung genutzt. Auch die Leber nimmt Laktat auf und rezykliert dieses zu Glukose bzw. Glykogen. Die H+ Ionen können zu einer Senkung des pH-Wertes in den Muskelfasern und im Blut führen.



Bewertung der anaeroben Fähigkeiten


Nachdem wir das glykolytische Energiesystem verstanden haben, stellt sich die Frage nach der Messung der Fähigkeiten der anaeroben Systeme


Ein erster Aspekt - als anaerobe Leistung bezeichnet - ist die maximale Rate, mit der Energie über das anaerobe System produziert werden kann. Diese setzt sich sowohl aus der durch Glykolyse als auch aus der durch das CP-System erzeugten Energie zusammen, und diese jeweiligen anaeroben Fähigkeiten können als "glykolytische Leistung" bezeichnet werden.


Ein zweiter Aspekt - den wir als anaerobe Ausdauer bezeichnen - bezieht sich darauf, wie lange der anaerobe Stoffwechsel aufrechterhalten werden kann. Bei einer Dauer von mehr als 10 Sekunden ist dies fast ausschließlich vom glykolytischen System abhängig und hängt sowohl davon ab, wie schnell Pyruvat/Laktat abgebaut werden kann (wodurch ermüdende Stoffwechselprodukte entfernt werden), als auch davon, wie gut hohe Mengen an ermüdenden Stoffwechselprodukten toleriert werden können.


Ein dritter Aspekt schließlich - den wir als anaerobe Kapazität bezeichnen (manchmal auch als anaerobe Arbeitskapazität oder funktionelle Reservekapazität bezeichnet) - ist ein Maß dafür, wie viel Gesamtenergie über die anaeroben Systeme produziert werden kann.



Wie teste ich meine anaerobe Ausprägung


VLamax-Test

Hierbei handelt es sich um einen Test der maximalen Geschwindigkeit, mit der Energie durch das glykolytische System produziert wird. Er steht jedoch in engem Zusammenhang mit der anaeroben Gesamtleistung.


Die maximale Laktatakkumulationsrate (auch als glykolytische Leistung oder VLamax bezeichnet) lässt sich annähernd bestimmen, indem man eine vollständige Anstrengung absolviert, die kurz genug ist, um einen minimalen Beitrag des aeroben Energiesystems zu leisten (etwa 20-30 Sekunden sind gut geeignet). Laktatproben werden vor und nach der Anstrengung entnommen (wobei mehrere Proben nach der Anstrengung entnommen werden, um den höchsten Laktatwert im Blut zu erfassen, da die Werte nach Beendigung der Anstrengung weiter ansteigen, da sich das Laktat aus den Muskeln in den Blutkreislauf verteilt). Die Differenz zwischen den Laktatwerten vor und nach der Anstrengung, geteilt durch die Dauer der Anstrengung, ergibt den VLamax-Wert.


Da die Laktatproben in diskreten Abständen entnommen werden müssen, kann VLamax nicht exakt gemessen werden. Da die Laktatprobe in der Regel am Finger oder am Ohrläppchen entnommen wird, ist dies relativ weit vom Ort der Produktion (d. h. der Beinmuskulatur) entfernt, und alle daraus resultierenden Messwerte werden auch von Faktoren wie dem Laktattransport bzw. der Fähigkeit, Laktat abzubauen, und dem Gesamtblutvolumen beeinflusst. Daher ist jede Messung von VLamax immer nur ein Näherungswert und kann unserer Ansicht nach nur dazu verwendet werden, einen Überblick darüber zu gewinnen, ob die glykolytische Leistung hoch, mittel oder niedrig ist.


Critical Power Test / W'

Durch eine Reihe von Maximaltests können CP und W' anhand des Verhältnisses zwischen Leistung und Dauer bestimmt werden.



Critical Power ist die maximale Leistung, welche über eine bestimmten Zeitraum erbracht werden kann.


W' (gemessen in Kilojoule) ist die Menge an Arbeit, die oberhalb der CP verrichtet werden kann. W' kann stark variieren. Ausdauersportler haben in der Regel einen W'-Wert, der bei Männern zwischen 9-15 kJ und bei Frauen zwischen 6-10 kJ liegt, obwohl diese Werte bei Sportlern mit einer sehr hohen VO2max höher sein können. Für kraftvollere Ausdauerdisziplinen sind etwas höhere W'-Werte besser geeignet.


Da die Critical Power Methode in der Praxis einfacher umzusetzen ist und unserer Einschätzung nach trotzdem sehr gute Ergebnisse liefert bevorzugen wir diese Methode.



Ist es in jedem Fall sinnvoll die anaerobe Kapazität zu erhöhen?


Diese Frage kann mit einem klaren nein beantwortet werden – wenn es um die glykolytische Leistung geht ist grösser definitiv nicht immer besser. Eine höhere glykolytische Leistung führt zu einer höheren Laktatproduktion, was wiederum eine höhere Produktion von ermüdenden Stoffwechselprodukten bedeutet. Eine verbesserte Fähigkeit zur Energieerzeugung durch Glykolyse geht zudem mit einer geringeren Fähigkeit zur Verwendung von Fetten als «Benzin» einher.



Was bedeutet dies nun in der Praxis?


Um zu definieren wie gross die glykolytische Leistung sein soll, müssen wir die Grösse unseres aeroben Systems, unsere genetische Ausprägung beider Systeme und das Anforderungsprofil unserer Sportart/Disziplin berücksichtigen. Wie wichtige ist die Fähigkeit, eine Leistung über einen längeren Zeitraum aufrechtzuerhalten (aerobe Kapazität) im Verhältnis zur Fähigkeit, eine hohe Leistung über kürzere Zeiträume (anaerobe Kapazität) zu leisten.


Eine hohe aerobe Kapazität ist für fast alle Radsportdisziplinen von Vorteil, da ein grosser Anteil der Energie aerob erzeugt wird.



Wie steigere ich die anaerobe Kapazität?


Als typische Trainingsform kommen Intervalle zwischen einer halben und zwei Minuten Dauer mit einer langen Pausendauer (>3 Minuten) zum Einsatz.



Training der anaeroben Kapazität ist sehr belastend und sollte dosiert eingesetzt werden.

Um die notwendige, sehr hohe Intensität dieser Trainingseinheiten umsetzen zu können, müssen sie erholt durchgeführt werden. Da die Einheiten sehr belastend sind sollten sie nicht öfter als 1-2 mal pro Woche eingeplant werden. Da metabolisch sehr belastend und der Verbrauch von Kohlenhydraten sehr hoch ist, sollte darauf geachtet werden dass in den 24 Stunden vor den Einheiten ausreichend Kohlenhydrate konsumiert werden.


Der Körper spricht zudem viel schneller auf anaerobes Training als auf aerobes Training an. Eine Verbesserung lässt sich oft schon mit wenigen Wochen Training erzielen. Dies muss zwingend bei der Planung und Umsetzung des Trainings beachtet werden um entsprechend optimale Leistungen erzielen zu können.

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